
Ein Junge auf dem Junior Contest beim 1. Taikotreffen in Nordjapan, 2013. 1
Viele Taikogruppen verwenden in ihren Vorführungen betonende Schreie oder Rufe, die auf japanisch als “kakegoe” 掛け声 bezeichnet werden. Im allgemeinen japanischen Sprachgebrauch ist mit dem Wort kakegoe ein leidenschaftliches Zurufen gemeint, das die umgebenden Personen zur Aufmerksamkeit anrufen soll. Laut der Nihon Daihyakka Zensho Enzyklopädie ist dieses Zurufen unter anderem in den darstellenden Künsten, Musik, Sport und Kampfsport weit verbreitet. Es wird dort sehr effektiv verwendet, um die Künstler, Gruppenmitglieder oder Sportler anzufeuern und sie aufzufordern, ihr bestes zu geben.2
Kakegoe sind darüber hinaus eines der traditionellen Markenzeichen der darstellenden Künste in Japan. Der japanische Wikipedia-Eintrag zu kakegoe leitet direkt auf den Artikel zu oomukô 大向う weiter, eine spezifische Rufart, die im Kabuki-Theater von den Ansagern, den Darstellern und bisweilen auch vom Publikum verwendet wird. Die Mitglieder des Theaters kündigen mit diesen Rufen die Namen der Darsteller und bestimmte Teile der Vorstellung an, während das Publikum durch ihre Rufe ihre Zufriedenheit (oder ihr Missfallen) mit der Vorstellung zum Ausdruck bringt.
Die ersten schriftlichen Erwähnungen von kakegoe und ihre Verwendung in einer Trommelaufführung finden sich in Beschreibungen vom Nô Theater. Dort werden die Rufe von den drei Trommlern verwendet, um Pausen zwischen bestimmten Trommelschlägen zu markieren. Da die Trommelrhythmen im Nô Theater sehr flexibel und unregelmäßig sein können, wurden kakegoe Rufe in den Übungssitzungen ursprünglich als ein Hilfsmittel verwendet, damit die Musiker während der Übung nicht aus dem Takt kommen. Diese Rufe wurden im Laufe der Zeit formalisiert, in den Noten niedergeschrieben und so als ein ergänzender Bestandteil in die Vorführung aufgenommen. Kakegoe wurden damit zu einem charakteristischen Merkmal des Nô Theaters.3
Innerhalb eines Nô Stücks betonen sie die Verwendung einer Pause als ein kreatives Element. Aus diesem Grund werden sie nie gleichzeitig mit einem Trommelschlag verwendet. 4 Derartige Rufe, und die durch sie zum Ausdruck gebrachte Betonung einer musikalischen Pause, werden seitdem auch von anderen Instrumenten, wie zum Beispiel dem Tsugaru Shamisen, als ein kreatives Element verwendet, und sie sind ein prägender Bestandteil der Vorführungen moderner Taikogruppen.
Japanische Volkstänze, insbesondere der Awa Odori, der während des Obon Festes aufgeführt wird, verwenden ebenfalls betonende Zurufe. Die Schreie und Rufe selbst haben dabei keine Bedeutung, aber sie ermuntern die Tänzer und regen die Stimmung an. Auf eine ähnliche Art und Weise werden kakegoe heutzutage in modernen darstellenden Künsten wie Yosakoi 5 und Kumi-daiko verwendet.
In modernen Taiko Vorführungen werden kakegoe heutzutage ähnlich wie im Nô Theater dazu verwendet, um Wiederholungen bestimmter Rhythmen oder den Wechsel von einem Teil des Trommelstücks in den nächsten anzukündigen. Kakegoe haben somit für die Trommler ein gewaltiges Potential: Sie können als ein kreatives Element zum Markieren von Pausen verwendet werden, sie erlauben es den Spielern, ihre Leidenschaft innerhalb eines Stückes lautstark zum Ausdruck zu bringen ohne dabei das Stück selbst zu stören, und sie ermöglichen es den Spielern, versteckt miteinander zu kommunizieren und Anweisungen zum Ausführen des Stückes zu geben.
Die japanische Gruppe “Wadaiko Mugen” 和太鼓 無限 veranschaulichen in ihrem Stück “Spirit” (tamashii 魂), wie eine derartige Verwendung von kakegoe aussehen kann:
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Anmerkungen
- Gruppentaiko, Jugendgruppe, Taiko Festival in Natori, 1. Versammlung in Nordjapan. “Kumidaiko jyunia no bu, taiko matsuri in natori, dai ikkai kita nihon taikai.” 組太鼓ジュニアの部 太鼓祭inなとり 第1回北日本大会, Bildquelle. ↩
- Eintrag zu “kakegoe” 掛け声 im Nihon Daihyakka Zensho 日本大百科全書. ↩
- William P. Malm. Japanese music and musical instruments. Clarendon: Tuttle, 1959. S. 126. ↩
- Eta Harich-Schneider. A History of Japanese Music. London: Oxford University Press, 1973. S. 435. ↩
- Yosakoi wurde laut dem englischen Wikipedia-Artikel im Jahr 1954 als eine moderne Version des Awa Odori entwickelt. ↩